Mit dem MTB drei Tage durch den Harz


Der "Alpencross des Nordens"
09.04.2007 – 12.04.2007


Eigentlich wollte ich immer schon eine mehr-tägige Fahrradtour gemacht haben...   Aber klar, wenn man nur zwei Mal im Leben MTB gefahren ist,  kann kein Vorschlag von einer Alpenüberquerung richtig ernst genommen werden.

Martin hatte also von dem „Alpencross des Nordens“ als eine sanfte Variante gesprochen und als ich realisiert habe, wie unerreichbar so was für mich wäre, habe ich mal eben eine Zahnoperation vorgeschoben. Es gibt einfach Schmerzen und Qual, die man besser ertragen kann...
Martins Vorschlag schwebte aber in der Luft und ein Jahr später, wahrscheinlich aus Wahnsinn oder aus Arbeitsstress versprach ich ihm, mich um die Unterkünfte zu kümmern. Als die ersten Zusagen kamen, wurde es klar wohin es in der zweiten Woche der Osterferien ging. Martin hat die Tourenplanung minutiös übernommen und damit war alles eigentlich für die drei Tagestour geregelt.

TAG 0
Gefrühstückt als ob es kein Morgen mehr gäbe, also wie immer bei uns, machten wir uns auf den Weg nach Sieber bei Herzberg am Harz - "die Perle des Harzes", zumindest laut Internetrecherche.

Wegen Stau auf der A2 sind wir freiwillig von der Autobahn abgebogen und an der Weser entlang gefahren – ein schöne Alternative, die sogar einige Kilometer spart.

Sieber – ein menschenleerer Ort, wo Orkan Kyrill seine  Spuren hinterlassen hatte.
Unsere Pension, Haus Iris, hat uns gut gefallen: 28 Euro pro Person mit Frühstück und Parzplatz für die nächsten Tage.
Zerstörungen durch Kyrill
Zerstörungen durch Orkan Kyrill

Um dem Harz näher zu kommen, haben wir noch drei kleine Ausflüge gemacht:
1. Halt - Sankt Andreasberg, wo es mehr fliegende Hexen als laufende Menschen zu sehen gibt. Über diesen Ort muss man auch etwas sagen: es gibt einen Geldautomaten und leckere Riesenwindbeutel...
2. Halt – Vogelpark am Sösestausee, wo man angeblich die „einheimischen“ Vogelarten sehen kann (Wellensittiche inklusive...)
3. Halt – Herzberg am Harz. Hier gab es keine Möglichkeit, die einheimische Küche auszuprobieren, aber die „harzhafte“ griechische Küche rettet die Frühjahrstouristen vorm Verhungern.   

Vogelpark Sösestausee
Vogelpark Sösestausee

TAG 1: Sieber – Hahnenklee (40 km, 1050 Hm)

Ohne dass man sich „warm fahren“ kann, fängt die Auffahrt in den schönen, einsamen Laubwald an. Das Kreiseln eines Falkens konnten wir einen Augenblick von oben beobachten, und als der Blick wieder in Fahrtrichtung kehrte, sah Martin eine Foto-Muse, die ihn für Minuten beschäftigen würde: einen richtigen Feuersalamander.


Feuersalamander
Feuersalamander


Aus dem Wald ging es dann weiter hoch auf Straße, bis zu unserem höchsten Punkt des Tages – die Hankskühnenburg-Hütte. Die hatte übrigens zu, und ich hatte mich so auf einen heißen Tee gefreut...
Bei 6°C ging es auf die ungemütliche Abfahrt. Einige geplante Wege mussten wir umfahren, denn Kyrill hatte auch hier mächtige Zerstörungen im Wald verursacht.

Pause in Buntenbock
Am ersten Tag sahen wir keine Sonne, dazu nagte die Kälte an den Kräften. 
In Buntenbock machten wir an diesem Farbklecks in der Landschaft eine Pause
und freuten uns über das leuchtende Rot.


Die Tour ging dann weiter mit der Auffahrt zum „Buntenbock“ und gemütlich runter nach Wildemann. Ohne Zeitdruck haben wir Pause in einem Café-Restaurant gemacht und die Spezialität des Hauses probiert: Möhreneintopf und Apfelkuchen. Lecker.

Wir mussten nur noch ca. 200 Hm hoch fahren bis Hahnenklee, aber 200 Meter vom Café entfernt haben wir eine kleine Schrecksekunde erlebt: wir standen plötzlich vor dem  Hotel Bremer Schlüssel, die gebuchte Unterkunft für den 2. Tag. Hmmm. Das bedeutete, wir mussten nach Hahnenklee fahren, am nächsten Tag 200 Hm wieder nach Wildemann runter rollen und am 3. Tag die restlichen 2000 Hm der Harztour machen. Hatte ich denn alles falsch gebucht?
Nachdem wir Adressen verglichen haben, haben wir festgestellt, dass es sich um ein Zufall handeln musste. Zwei Bremer Schlüssel im Harz.

Für die geistige Erholung begannen wir den gemütlichen Anstieg nach Hahnenklee, an den Grumbacher Teichen entlang. Schade, dass das Wetter so grau war, denn die Landschaft würde mit Sicherheit viel schöner wirken mit einem bisschen mehr Sonne. Nach einem schönen, kleinen Stückchen im Wald haben wir unser Ziel erreicht. Auf der Suche nach der Pension haben wir noch sogar ein paar extra Hm gemacht...

Haus Schubert. Ein gemütliches Haus mit sehr angenehm und liebevoll angerichteten Zimmern (25 Euro/Person + Frühstück). Nach einer Dusche fühlten wir uns wieder frisch, aber doch hungrig. Um nicht immer nach primitiven Bedürfnisse zu leben, haben wir einen kurzen Spaziergang gemacht, durch die schöne aber leere Einkaufstrasse von Hahnenklee, deren nordische Stabkirche ein echter Hingucker ist und sogar eine eigene Webseite hat!  So viel von Kultur. Der letzte Halt des Tages war das Restaurant „Zum Kachelofen“, wo Martin sein wöchentlichen Bedarf an Fleisch gedeckt hat, und ich das Beste, was die deutsche Küche zu bieten hat, genießen konnte – BRATWURST.
Was kann man mehr wünschen? Caipirinha?! Die gibt es hier nicht.

Stabkirche Hahnenklee
Die Stabkirche in Hahnenklee


TAG 2
Hahnenklee – Braunlage (ca. 60 Km, 1445 Hm)



Der Tag der „Königsetappe“ ist mit Appetit angefangen und um 8:45 Uhr ging es dann hoch zur Schalke, der erste Berg. Oben kann man auf einen Turm klettern, um den Brocken besser zu sehen. In dem Bereich ist das Etappenende.

Adrenalin pur war für mich eine kurze, aber steile Abfahrt mit Geröll... Ein absolutes Highlight.
Nach dem Ockerstausee fängt die Auffahrt zu den Ahrensberger Klippen an. Da sah ich aber keine richtige Abfahrt, nur einen schmalen Pfad an der Hangkante. Lebensgefährlich sah das aus, schon für normale Wanderer. Martin sagte, (nicht ganz überzeugt) dass das unsere Abfahrt wäre... Tragen und Schieben waren hier am Anfang angesagt, danach konnte man an der Hangkante wieder fahren, aber immer wieder lagen Bäume auf dem Weg, so dass die Abfahrt nicht ganz flüssig verlaufen konnte. Nichts desto trotz muss ich sagen, dass im Wald zu fahren mir total Spaß macht. Und das Beste ist, ich wusste das gar nicht...
Mountainbike fahren macht ja Spass!



Ahrensberger Klippen Romkehrhaller Wasserfall
Zwei Highlights des zweiten Tages:
die Ahrensberger Klippen und der Romkehrhaller Wasserfall




Vor dem nächsten Anstieg haben wir im Tal den Romkehrhaller Wasserfall bewundert und dann schrien die Beine schon wieder nach Arbeit. Und so ging es hoch zu den Käste-Klippen, die so genannten "Calanche des Nordens". Ähnlich wie auf Korsika, bilden sich auf diesem Berg interessante Steinformationen. Sie haben uns bei der Powerbar-Pause beobachtet und eigentlich hatte ich schon das Gefühl, total müde zu sein. Nur wir hatten gerade mal nur die Hälfte der Tour und der schwierigste Teil kam auch noch.


Alter Mann - Käste
Die Käste-Klippen mit dem "Alten Mann", wie dieser Felsen genannt wird.


Aber Müdigkeit ist keine Ausrede, also wir mussten weiter.
Bei der Abfahrt wurde unsere Mountainbiker-Haltung tiefst gelobt, als ein Kind auf uns zeigte und laut schrie „Jäger! Auf Rädern! Sie haben Waffen!“ und schnell zu ihrer besorgten Mama lief... Die niedrige Schmerztoleranz, die ich danach gezeigt habe, kann nur an diesem Vorfall liegen... 

Tatsächlich konnte man noch einen weiteren Wasserfall bewundern, den Radauwasserfall und dann ging es wieder steil hoch zum Eckerstausee. Das war nicht einfach für mich, denn ich hatte mich schon von meiner Müdigkeit überzeugt. Die Beine hatten sich also vom Gehirn verabschiedet.  Aber wie mein Freund so schön sagt, das nutzte uns jetzt nichts. Wir mussten weiter.

Eine menschenleere Landschaft haben wir gefunden, wo es nur die Grenzmarke der ehemalige DDR auf der anderen Seite des Sees zu sehen gab.


Menschenleer, der Eckerstausee  Grenzpfosten am Eckerstausee
Menschenleer: der Eckerstausee, hier verlief früher die innerdeutsche Grenze.

Die Ecker  Pause an der Ecker
Pause an der Ecker. Der Fluss scheint recht  Eisenhaltig zu sein.
 
In diesem Bereich fing die letzte große Auffahrt des Tages an, die wir mit einem bisschen Skepsis durch einen eigentlich gesperrten Weg angefangen haben. Kyrill hatte hier viele Bäume umgeknickt, so dass man immer wieder sein Rad tragen/ schieben musste. Es wurde dann besser mit der Fahrbarkeit zum Eckersprung. Die Waldlandschaft wurde  dichter, und ein Bach begleitete uns unter niedlichen Holzbrücken – der Pionierweg. Ein Traum von Weg, aber der Boden wurde immer kniffliger. Wenn man 1000 Hm gefahren ist und noch ca 350 Hm auf steinigen/ gewurzelten Trail hoch fahren muss, findet man die Kräfte nicht, die man eigentlich brauchen würde.
Wir haben entschieden, den Bach zu überqueren und auf einem Schotterweg weiter zu fahren, um uns die überflüssige Auffahrt zum Königskrug zu sparen.


Wegweiser im Harz
Wegweiser an der Ecker


Die Bachüberquerung war sehr abenteuerlich, da wir keine Brücke gefunden haben. Mit nassen Füßen wurden wir auf eine steile, zähe Auffahrt geleitet, wo sich hier und da noch Schneereste befanden. Oben wartete eine „Mondlandschaft“ auf uns: eine unheimliche, steinige, menschenleere, staubige Piste mit Brockenblick.
Der Abflug nach Braunlage wurde vom Navi koordiniert und glücklicherweise hatte der Tag noch etwas Sonne für uns bereit. Nach einer kurzen Suche fanden wir unsere Unterkunft: das Hotel Bremer Schlüssel.

Nach der verdienten Dusche merkten wir plötzlich, wie müde wir eigentlich waren. Immerhin, 62 km und 1430 Hm hatten wir an diesem kalten Tag überwunden. Die Entscheidung über das Abendessen fiel ganz leicht: nachdem der nette Hotelwirt uns die Speisekarte des Hauses vorgetragen hatte, war es klar, dass die  benötigte Kalorienzufuhr auch im Hotel möglich war. Wir ließen es uns gut gehen: ein leckeres, 3-gängiges Menü mit Kaffee und 9-Euro teurem Obstler gaben uns die letzte Bettschwere    und ermöglichten uns eine friedliche Schlafpause.


TAG 3, Braunlage – Sieber (61 km, 850 Hm)

Die letzte Stärkung am Hotel war wieder sehr luxuriös, sodass wir schon den Augenblick der Abrechnung befürchteten. Am Ende waren nur 105 Euro für die Übernachtung mit Halbpension für 2 Personen. Vor der Abfahrt konnten wir uns kurz mit dem Wirt über unsere frühere Erfahrungen mit „Bremer Schlüssel“ im Harz austauschen.

Ich hatte massive Rückenprobleme: mein Rücksack scheuerte an meiner Wirbelsäule und hatte schon eine Wunde verursacht. Martin hat eine Apotheke entdeckt und da konnte ich Blasenpflaster kaufen, um den letzten Tag gut zu überstehen.

Laut Martin, würde die Tour nichts mehr als „lockeres Ausrollen“ sein. Also ging es erstmal 200 Hm HOCH...
Als aber dann die Sonne raus kam, und es die nächsten 30 km locker bergab ging, kam richtig gute Laune auf.  Der Wald war sonnendurchflutet und wir rollten genüßlich an der Oder entlang. Am Oderstausee war erst mal ein bisschen Faulenzen angesagt.  Wir machten Pause an einer kleinen Hütte mit Seeblick und genossen Latte macchiato ohne Latte und ohne macchiato...

Downhill an der Oder
Die Abfahrt folgte dem Verlauf der Oder


Sonnendurchfluteter Wald
Und wir hatten endlich Glück mit dem Wetter, die Sonne zeigte sich.


Wir waren bereit für die letzte harte Steigung des Crosses, aber diese kam ganz anders als erwartet und hat sich als psychologische Quälerei entfaltet: anstelle einer normalen steilen Auffahrt mussten wir erstmal endlos am Bach entlang fahren auf ca. 2% Steigung. Nach einer Weile fragten wir uns, ob die restlichen Höhenmeter des Tages auf diese Weise abgespult werden mussten... So eine Piste ermüdet, man hat das Gefühl, man kommt nicht voran.  Die Frage „wo geht's hier hoch?“ wurde aber nach gefühlten 100 elenden Kilometern beantwortet: eine brutal steile, schlammige und mit Laub bedeckte Waldauffahrt war also das Ziel des Tages. Geschoben und geweint habe ich, aber den letzten Anstieg zum großen Knollen schaffte ich auch noch. Oben gab es eine  Zelebration zu zweit: die Sonne schien, die Herausforderung war überwunden, und die Abfahrt nach Sieber versprach viel Spaß! Martin gönnte sich schon mal seinen Siegerpokal - vielleicht etwas voreilig.

Geschafft! Pause am großen Knollen.
Geschafft! Siegerpokal und Rückblick auf die Tour am großen Knollen bei Sieber.


Die Helden der Tour.
Zielfoto - die "Helden der Tour"

Aber... der Weg war wegen Aufräumarbeiten nach Kyrill gesperrt, also mussten wir erstmal nach Herzberg und dann die restlichen 200 Hm nach Sieber fahren. Da Martin sich schon mit dem „Abflugsgedanken“ angefreundet hatte, fiel ihm diese letzte, aber schnelle Auffahrt auf single trail nicht leicht. Ich fühlte mich dagegen ganz wohl. :-)

Unser Auto fanden wir beschützt auf dem Hof vom Haus Iris wieder, ein freundliches Hotel, wo wir noch eine Nacht verbracht haben.
Es war eine wunderbare Sache, saubere Klamotten anziehen zu können nach einer entspannenden Dusche! Danach gab es Pizza und Philosophie in Sankt Andreasberg. Die Harz-Erfahrung hatte uns beide beeindruckt und auf jeden Fall möchten wir zu einem sonnigeren Zeitpunkt wiederkehren!            
 




Tourdaten und Informationen:

Literatur:

Mountainbike Magazin, Ausgabe 12/2005
Die Tour stammt im Original von Torsten Schumacher und Carsten Behrens. Letzterer bietet dieverse Details zur Tour zum kostenpflichtigen Download an.

GPS-Daten:

Unsere GPS-Tacks könnt Ihr auch haben, die weichen aber von der Originalroute ab.

GPS Track: Transharz.gpx

Für Google Earth:  Transharz.kml

Ein unglaublich umfassendes GPS-Routenarchiv über den Harz findet Ihr hier:


Tour Daten:

1. Tag: 40 km und ca. 1050 Hm
Sieber  - Hahnskühnenburg - Sösestausee - Buntenbock - Wildemann - Hahnenklee

2. Tag: 62 km und ca. 1400 Hm
Hahnenklee - Schalke - Dicker Kopf - Ockersee - Ahrensberger Klippen - Käste - Radauwasserfall - Eckersee - Eckersprung - Braunlage

3. Tag: 61 km und ca.  850 Hm
Braunlage - Königskrug - Odertal - Odersee - Bad Lauterberg - Großer Knollen - (Herzberg) - Sieber