Eigentlich wollte ich immer schon eine mehr-tägige Fahrradtour gemacht haben... Aber klar, wenn man nur zwei Mal im Leben MTB gefahren ist, kann kein Vorschlag von einer Alpenüberquerung richtig ernst genommen werden. Martin hatte also von dem
„Alpencross des Nordens“ als eine
sanfte Variante gesprochen und als ich realisiert habe, wie
unerreichbar so was für mich wäre, habe
ich mal eben eine Zahnoperation vorgeschoben.
Es gibt einfach Schmerzen und Qual, die man besser ertragen kann... Martins Vorschlag schwebte aber in der Luft und ein Jahr später, wahrscheinlich aus Wahnsinn oder aus Arbeitsstress versprach ich ihm, mich um die Unterkünfte zu kümmern. Als die ersten Zusagen kamen, wurde es klar wohin es in der zweiten Woche der Osterferien ging. Martin hat die Tourenplanung minutiös übernommen und damit war alles eigentlich für die drei Tagestour geregelt.
TAG 1: Sieber – Hahnenklee (40 km, 1050 Hm) Ohne dass man sich „warm fahren“ kann, fängt die Auffahrt in den schönen, einsamen Laubwald an. Das Kreiseln eines Falkens konnten wir einen Augenblick von oben beobachten, und als der Blick wieder in Fahrtrichtung kehrte, sah Martin eine Foto-Muse, die ihn für Minuten beschäftigen würde: einen richtigen Feuersalamander. Feuersalamander Aus dem Wald ging es dann weiter hoch auf Straße, bis zu unserem höchsten Punkt des Tages – die Hankskühnenburg-Hütte. Die hatte übrigens zu, und ich hatte mich so auf einen heißen Tee gefreut... Bei 6°C ging es auf die ungemütliche Abfahrt. Einige geplante Wege mussten wir umfahren, denn Kyrill hatte auch hier mächtige Zerstörungen im Wald verursacht. Am ersten Tag sahen wir keine Sonne, dazu nagte die Kälte an den Kräften. In Buntenbock machten wir an diesem Farbklecks in der Landschaft eine Pause und freuten uns über das leuchtende Rot. Die Tour ging dann weiter mit der Auffahrt zum „Buntenbock“ und gemütlich runter nach Wildemann. Ohne Zeitdruck haben wir Pause in einem Café-Restaurant gemacht und die Spezialität des Hauses probiert: Möhreneintopf und Apfelkuchen. Lecker. Wir mussten nur noch ca. 200 Hm hoch fahren bis Hahnenklee, aber 200 Meter vom Café entfernt haben wir eine kleine Schrecksekunde erlebt: wir standen plötzlich vor dem Hotel Bremer Schlüssel, die gebuchte Unterkunft für den 2. Tag. Hmmm. Das bedeutete, wir mussten nach Hahnenklee fahren, am nächsten Tag 200 Hm wieder nach Wildemann runter rollen und am 3. Tag die restlichen 2000 Hm der Harztour machen. Hatte ich denn alles falsch gebucht? Nachdem wir Adressen verglichen haben, haben wir festgestellt, dass es sich um ein Zufall handeln musste. Zwei Bremer Schlüssel im Harz. Für die geistige Erholung begannen wir den gemütlichen Anstieg nach Hahnenklee, an den Grumbacher Teichen entlang. Schade, dass das Wetter so grau war, denn die Landschaft würde mit Sicherheit viel schöner wirken mit einem bisschen mehr Sonne. Nach einem schönen, kleinen Stückchen im Wald haben wir unser Ziel erreicht. Auf der Suche nach der Pension haben wir noch sogar ein paar extra Hm gemacht... Haus Schubert. Ein gemütliches Haus mit sehr angenehm und liebevoll angerichteten Zimmern (25 Euro/Person + Frühstück). Nach einer Dusche fühlten wir uns wieder frisch, aber doch hungrig. Um nicht immer nach primitiven Bedürfnisse zu leben, haben wir einen kurzen Spaziergang gemacht, durch die schöne aber leere Einkaufstrasse von Hahnenklee, deren nordische Stabkirche ein echter Hingucker ist und sogar eine eigene Webseite hat! So viel von Kultur. Der letzte Halt des Tages war das Restaurant „Zum Kachelofen“, wo Martin sein wöchentlichen Bedarf an Fleisch gedeckt hat, und ich das Beste, was die deutsche Küche zu bieten hat, genießen konnte – BRATWURST. Was kann man mehr wünschen? Caipirinha?! Die gibt es hier nicht. Die Stabkirche in Hahnenklee TAG 2 Hahnenklee – Braunlage (ca. 60 Km, 1445 Hm)
Zwei Highlights des
zweiten Tages: die Ahrensberger Klippen und der Romkehrhaller Wasserfall Vor dem nächsten Anstieg haben wir im Tal den Romkehrhaller Wasserfall bewundert und dann schrien die Beine schon wieder nach Arbeit. Und so ging es hoch zu den Käste-Klippen, die so genannten "Calanche des Nordens". Ähnlich wie auf Korsika, bilden sich auf diesem Berg interessante Steinformationen. Sie haben uns bei der Powerbar-Pause beobachtet und eigentlich hatte ich schon das Gefühl, total müde zu sein. Nur wir hatten gerade mal nur die Hälfte der Tour und der schwierigste Teil kam auch noch. Die Käste-Klippen mit dem "Alten Mann", wie dieser Felsen genannt wird. Aber Müdigkeit ist keine Ausrede, also wir mussten weiter. Bei der Abfahrt wurde unsere Mountainbiker-Haltung tiefst gelobt, als ein Kind auf uns zeigte und laut schrie „Jäger! Auf Rädern! Sie haben Waffen!“ und schnell zu ihrer besorgten Mama lief... Die niedrige Schmerztoleranz, die ich danach gezeigt habe, kann nur an diesem Vorfall liegen... Tatsächlich konnte man noch einen weiteren Wasserfall bewundern, den Radauwasserfall und dann ging es wieder steil hoch zum Eckerstausee. Das war nicht einfach für mich, denn ich hatte mich schon von meiner Müdigkeit überzeugt. Die Beine hatten sich also vom Gehirn verabschiedet. Aber wie mein Freund so schön sagt, das nutzte uns jetzt nichts. Wir mussten weiter. Eine menschenleere Landschaft haben wir gefunden, wo es nur die Grenzmarke der ehemalige DDR auf der anderen Seite des Sees zu sehen gab. Menschenleer: der Eckerstausee, hier verlief früher die innerdeutsche Grenze. Pause an der Ecker. Der Fluss scheint recht Eisenhaltig zu sein. In diesem Bereich fing die letzte große Auffahrt des Tages an, die wir mit einem bisschen Skepsis durch einen eigentlich gesperrten Weg angefangen haben. Kyrill hatte hier viele Bäume umgeknickt, so dass man immer wieder sein Rad tragen/ schieben musste. Es wurde dann besser mit der Fahrbarkeit zum Eckersprung. Die Waldlandschaft wurde dichter, und ein Bach begleitete uns unter niedlichen Holzbrücken – der Pionierweg. Ein Traum von Weg, aber der Boden wurde immer kniffliger. Wenn man 1000 Hm gefahren ist und noch ca 350 Hm auf steinigen/ gewurzelten Trail hoch fahren muss, findet man die Kräfte nicht, die man eigentlich brauchen würde. Wir haben entschieden, den Bach zu überqueren und auf einem Schotterweg weiter zu fahren, um uns die überflüssige Auffahrt zum Königskrug zu sparen. Wegweiser an der Ecker Die Bachüberquerung war sehr abenteuerlich, da wir keine Brücke gefunden haben. Mit nassen Füßen wurden wir auf eine steile, zähe Auffahrt geleitet, wo sich hier und da noch Schneereste befanden. Oben wartete eine „Mondlandschaft“ auf uns: eine unheimliche, steinige, menschenleere, staubige Piste mit Brockenblick. Der Abflug nach Braunlage wurde vom Navi koordiniert und glücklicherweise hatte der Tag noch etwas Sonne für uns bereit. Nach einer kurzen Suche fanden wir unsere Unterkunft: das Hotel Bremer Schlüssel. Nach der verdienten Dusche merkten wir plötzlich, wie müde wir eigentlich waren. Immerhin, 62 km und 1430 Hm hatten wir an diesem kalten Tag überwunden. Die Entscheidung über das Abendessen fiel ganz leicht: nachdem der nette Hotelwirt uns die Speisekarte des Hauses vorgetragen hatte, war es klar, dass die benötigte Kalorienzufuhr auch im Hotel möglich war. Wir ließen es uns gut gehen: ein leckeres, 3-gängiges Menü mit Kaffee und 9-Euro teurem Obstler gaben uns die letzte Bettschwere und ermöglichten uns eine friedliche Schlafpause. TAG 3, Braunlage – Sieber (61 km, 850 Hm) Die letzte Stärkung am Hotel war wieder sehr luxuriös, sodass wir schon den Augenblick der Abrechnung befürchteten. Am Ende waren nur 105 Euro für die Übernachtung mit Halbpension für 2 Personen. Vor der Abfahrt konnten wir uns kurz mit dem Wirt über unsere frühere Erfahrungen mit „Bremer Schlüssel“ im Harz austauschen. Ich hatte massive Rückenprobleme: mein Rücksack scheuerte an meiner Wirbelsäule und hatte schon eine Wunde verursacht. Martin hat eine Apotheke entdeckt und da konnte ich Blasenpflaster kaufen, um den letzten Tag gut zu überstehen. Laut Martin, würde die Tour nichts mehr als „lockeres Ausrollen“ sein. Also ging es erstmal 200 Hm HOCH... Als aber dann die Sonne raus kam, und es die nächsten 30 km locker bergab ging, kam richtig gute Laune auf. Der Wald war sonnendurchflutet und wir rollten genüßlich an der Oder entlang. Am Oderstausee war erst mal ein bisschen Faulenzen angesagt. Wir machten Pause an einer kleinen Hütte mit Seeblick und genossen Latte macchiato ohne Latte und ohne macchiato... Die Abfahrt folgte dem Verlauf der Oder Und wir hatten endlich Glück mit dem Wetter, die Sonne zeigte sich. Wir waren bereit für die letzte harte Steigung des Crosses, aber diese kam ganz anders als erwartet und hat sich als psychologische Quälerei entfaltet: anstelle einer normalen steilen Auffahrt mussten wir erstmal endlos am Bach entlang fahren auf ca. 2% Steigung. Nach einer Weile fragten wir uns, ob die restlichen Höhenmeter des Tages auf diese Weise abgespult werden mussten... So eine Piste ermüdet, man hat das Gefühl, man kommt nicht voran. Die Frage „wo geht's hier hoch?“ wurde aber nach gefühlten 100 elenden Kilometern beantwortet: eine brutal steile, schlammige und mit Laub bedeckte Waldauffahrt war also das Ziel des Tages. Geschoben und geweint habe ich, aber den letzten Anstieg zum großen Knollen schaffte ich auch noch. Oben gab es eine Zelebration zu zweit: die Sonne schien, die Herausforderung war überwunden, und die Abfahrt nach Sieber versprach viel Spaß! Martin gönnte sich schon mal seinen Siegerpokal - vielleicht etwas voreilig. Geschafft! Siegerpokal und Rückblick auf die Tour am großen Knollen bei Sieber. Zielfoto - die "Helden der Tour" Aber... der Weg war wegen Aufräumarbeiten nach Kyrill gesperrt, also mussten wir erstmal nach Herzberg und dann die restlichen 200 Hm nach Sieber fahren. Da Martin sich schon mit dem „Abflugsgedanken“ angefreundet hatte, fiel ihm diese letzte, aber schnelle Auffahrt auf single trail nicht leicht. Ich fühlte mich dagegen ganz wohl. :-) Unser Auto fanden wir beschützt auf dem Hof vom Haus Iris wieder, ein freundliches Hotel, wo wir noch eine Nacht verbracht haben. Es war eine wunderbare Sache, saubere Klamotten anziehen zu können nach einer entspannenden Dusche! Danach gab es Pizza und Philosophie in Sankt Andreasberg. Die Harz-Erfahrung hatte uns beide beeindruckt und auf jeden Fall möchten wir zu einem sonnigeren Zeitpunkt wiederkehren! Tourdaten und Informationen: Literatur: Mountainbike
Magazin, Ausgabe 12/2005 Die Tour stammt im Original von
Torsten Schumacher und Carsten Behrens. Letzterer bietet dieverse
Details zur Tour zum kostenpflichtigen Download
an. GPS-Daten: Unsere
GPS-Tacks könnt Ihr auch haben, die weichen aber von der
Originalroute ab. GPS Track: Transharz.gpx Für
Google Earth: Transharz.kml Ein
unglaublich umfassendes GPS-Routenarchiv über den Harz findet
Ihr hier: Tour Daten: 1.
Tag: 40 km und ca. 1050 Hm Sieber
- Hahnskühnenburg - Sösestausee -
Buntenbock - Wildemann - Hahnenklee 2. Tag: 62 km
und ca. 1400 Hm Hahnenklee - Schalke - Dicker Kopf - Ockersee - Ahrensberger Klippen - Käste - Radauwasserfall - Eckersee - Eckersprung - Braunlage 3. Tag: 61 km und ca. 850 Hm Braunlage - Königskrug - Odertal - Odersee - Bad Lauterberg - Großer Knollen - (Herzberg) - Sieber |